BLODVEGER – NS-Zwangsarbeit in Nord-Norwegen

Ingrid Damerow: Vernichtungskrieg und Kriegsgefangenschaft; sowjetische Zwangsarbeiter im deutsch-besetzten Norwegen

Marina Panikar: Die NS-Lager für sowjetische Kriegsgefangene im Norden Norwegens und deren Lebensbedingungen dort


Ingrid Damerow

Vernichtungskrieg und Kriegsgefangenschaft; sowjetische Zwangsarbeiter im deutsch-besetzten Norwegen

Der 22. Juni 1941 stellt ein einschneidendes Datum im Verlauf des Zweiten Weltkriegs dar. An diesem Tag marschierte die Deutsche Wehrmacht unter dem Code-Namen „Barbarossa“ mit Armeen verbündeter Länder in die Sowjetunion ein, um die Rote Armee in einem kurzen Feldzug niederzuwerfen. Trotz anfänglich großer Siege, die die Wehrmacht im November 1941 bis kurz vor Moskau führte, gelang es ihr nicht, den Widerstand der Roten Armee zu brechen und die sowjetische Hauptstadt einzunehmen. Eine sehr große Anzahl sowjetischer Soldaten waren in den großen Kesselschlachten bei Minsk, Kiew oder Wjasma in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten. Bis Ende des Jahres 1941 befanden sich 3.350.000 Rotarmisten in deutschem Gewahrsam, von denen bis Februar 1942 fast 60 % in erster Linie durch extreme Mangelernährung oder durch die katastrophale Unterbringung umkamen.

Auch denen, die das Massensterben überlebt hatten und als Zwangsarbeiter ins Deutsche Reich und die von Deutschland besetzten Länder deportiert wurden, bedeutete die Arbeit in der Rüstungsindustrie, den Bergwerken oder in den Steinbrüchen keine Überlebensgarantie. Anders als gegenüber den westlichen Kriegsgefangenen, die zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden, fühlte sich die deutsche Seite hinsichtlich der Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen – der „bolschewistischen Untermenschen“ – keinen internationalen Regeln verpflichtet.

Noch vor Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion waren von der Wehrmachtsführung Vorarbeiten für die Bestimmungen zur Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen erarbeitet worden, die dann in den „Anordnungen für die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener in allen Kriegsgefangenenlagern“ vom 8. September 1941 ihren Eingang fanden. In ihnen wird erklärt, dass „der bolschewistische Soldat jeden Anspruch auf Behandlung als ehrenhafter Soldat und nach dem Genfer Abkommen verloren“ hat. – Bereits ab Sommer 1941 waren zehntausende sowjetischer Kriegsgefangener per Schiff – größtenteils aus Stettin – ins deutsch-besetzte Norwegen gebracht und von Oslo in drei Stammlager im Süden, in der Mitte und im Norden Norwegens und von dort in die über das ganze Land verteilten Arbeitslager überführt worden. Dort wurden sie im Eisenbahn-, Tunnel- und Straßenbau, auf den Flugplätzen, in der Aluminium-Industrie, in den Marinebasen und in den Häfen beim Be- und Entladen der Schiffe für die Wehrmacht beschäftigt.

Neben den sowjetischen Kriegsgefangenen wurden auch kriegsgefangene Jugoslawen, Polen und sog. Ostarbeiter – sowjetische Zivilarbeiter – zur Arbeit eingesetzt, doch lag der Anteil der sowjetischen Kriegsgefangenen bei 93-95 % aller Arbeitssklaven. Die schwere Arbeit, z.T. ohne entsprechende Hilfsmittel bei völlig unzureichenden Essensrationen, das Fehlen entsprechender Kleidung der Gefangenen in den nördlich des Polarkreises gelegenen Lagern wie das fast völlige Fehlen medizinischer Hilfe führten dort teilweise zu einem Krankenstand unter den Häftlingen von bis zu 70 %. Solange ein Gefangener arbeitsfähig war, hatte er eine gewisse Überlebenschance, die ihm genommen wurde, wenn er krank und damit arbeitsunfähig wurde.

Der Befehl von Generalquartiermeister Eduard Wagner vom November 1941 „Nicht arbeitende Kriegsgefangene haben zu verhungern“ galt auch in Norwegen. Die Kriegsgefangenen befanden sich in einem gesetzlosen, schutzlosen Raum.

Von den ca. 90.000 sowjetischen Kriegsgefangenen, die in Norwegen Zwangsarbeit leisteten, überlebten ungefähr 15.000 von ihnen diese Zeit nicht – aufgrund der besonders in den Lagern nördlich des Polarkreises katastrophalen Lebens- und Arbeitsbedingungen, wie auch des brutalen Umgangs mit ihnen. Eine Flucht aus diesen Lagern – ins neutrale Schweden – war mit großen Schwierigkeiten verbunden und wurde mit Erschießen bestraft. Und doch gab es erfolgreiche Fluchten einzelner Gefangener wie auch kleinerer Gruppen.

Schon während des Krieges waren in der Sowjetunion Repatriierungs- und Filtrationslager für Rückkehrer (Kriegsgefangene wie „Ostarbeiter“) geschaffen worden. Für die Kriegsgefangenen aus Norwegen befanden sich die entsprechenden Sammelpunkte in Murmansk und Wiborg. Hier wurden sie hinsichtlich ihrer Tätigkeit während des Krieges von Mitarbeitern des Innenministeriums, des Staatssicherheitsdienstes und des militärischen Geheimdienstes “Smersch“ überprüft und dann verfügt, ob sie in den Heimatort zurückkehren konnten oder zur weiteren Überprüfung in ein Speziallager des NKWD (Innenministerium) überführt werden sollten. Was die Vorgänge in Schweden und Finnland betrifft, wo sich der überwiegende Teil der Kriegsgefangenen befand, um die hier geht, wurden bereits im Oktober 1944 Sammelstellen für Repatrianten geschaffen. Der NKWD-Chef Berija berichtete Stalin im November 1944, dass in Finnland und Schweden von ca. 90.000 Repatrianten ca. 25.000 nach Hause geschickt, ca. 42.000 in Speziallager überführt, die dem NKWD unterstanden, 4.000 den lokalen Militärmissionen übergeben und 134 verhaftet und ins Gefängnis gebracht wurden.

Die angespannten Beziehungen zwischen Norwegen und der Sowjetunion während des Kalten Krieges – Spionagevorwürfe etc. – wirkten sich auch in der Frage der in Norwegen umgekommenen und dort an unterschiedlichen Orten bestatteten sowjetischen Kriegsgefangenen aus. Im Sommer 1951 wurden in der „Operation Asphalt“ die Überreste von ca. 8.000 sowjetischen Kriegsgefangenen auf einen zentralen Kriegsgräber-Friedhof auf der Insel Tjøtta umgebettet. Hier liegen auch die 3.000 Zwangsarbeiter, die beim Untergang der „Palatina“ 1942 und der „Rigel“ 1944 umkamen.

Die sowjetischen Quellen für das Theaterprojekt sind das Tagebuch Konstantin Grigorjewitsch Seredinzews sowie Interviews bzw. Briefe aus der Sammlung Marina Panikars bzw. des Vereins Kontakte von: Wladimir Matweewitsch Chaustow, Fodossij Maksimowitsch Chotjajtschuk, Aleksandr Gawrilowitsch Denissow, Viktor Dumnow, Michail Alekseewitsch Iltschenko, Wladimir Nikolaewitsch Kalnin, Timofej Timofeewitsch Kljuch, Alksandr Iosifowitsch Lifanrjew, Lopatin, Sergej Semjonowitsch Makarow, Moroz, Igor Jakowlewitsch Trapizin, Nikolaj Dorofeewitsch Trubenko.

Neben den sowjetischen Kriegsgefangenen wurden auch kriegsgefangene Jugoslawen, Polen und sog. Ostarbeiter – sowjetische Zivilarbeiter – zur Arbeit eingesetzt, doch lag der Anteil der sowjetischen Kriegsgefangenen bei 93-95 % aller Arbeitssklaven. Die schwere Arbeit, z.T. ohne entsprechende Hilfsmittel bei völlig unzureichenden Essensrationen, das Fehlen entsprechender Kleidung der Gefangenen in den nördlich des Polarkreises gelegenen Lagern wie das fast völlige Fehlen medizinischer Hilfe führten dort teilweise zu einem Krankenstand unter den Häftlingen von bis zu 70 %. Solange ein Gefangener arbeitsfähig war, hatte er eine gewisse Überlebenschance, die ihm genommen wurde, wenn er krank und damit arbeitsunfähig wurde.

Schon während des Krieges waren in der Sowjetunion Repatriierungs- und Filtrationslager für Rückkehrer (Kriegsgefangene wie „Ostarbeiter“) geschaffen worden. Für die Kriegsgefangenen aus Norwegen befanden sich die entsprechenden Sammelpunkte in Murmansk und Wiborg. Hier wurden sie hinsichtlich ihrer Tätigkeit während des Krieges von Mitarbeitern des Innenministeriums, des Staatssicherheitsdienstes und des militärischen Geheimdienstes “Smersch“ überprüft und dann verfügt, ob sie in den Heimatort zurückkehren konnten oder zur weiteren Überprüfung in ein Speziallager des NKWD (Innenministerium) überführt werden sollten. Was die Vorgänge in Schweden und Finnland betrifft, wo sich der überwiegende Teil der Kriegsgefangenen befand, um die hier geht, wurden bereits im Oktober 1944 Sammelstellen für Repatrianten geschaffen. Der NKWD-Chef Berija berichtete Stalin im November 1944, dass in Finnland und Schweden von ca. 90.000 Repatrianten ca. 25.000 nach Hause geschickt, ca. 42.000 in Speziallager überführt, die dem NKWD unterstanden, 4.000 den lokalen Militärmissionen übergeben und 134 verhaftet und ins Gefängnis gebracht wurden.

Die angespannten Beziehungen zwischen Norwegen und der Sowjetunion während des Kalten Krieges – Spionagevorwürfe etc. – wirkten sich auch in der Frage der in Norwegen umgekommenen und dort an unterschiedlichen Orten bestatteten sowjetischen Kriegsgefangenen aus. Im Sommer 1951 wurden in der „Operation Asphalt“ die Überreste von ca. 8.000 sowjetischen Kriegsgefangenen auf einen zentralen Kriegsgräber-Friedhof auf der Insel Tjøtta umgebettet. Hier liegen auch die 3.000 Zwangsarbeiter, die beim Untergang der „Palatina“ 1942 und der „Rigel“ 1944 umkamen.

Die sowjetischen Quellen für das Theaterprojekt sind das Tagebuch Konstantin Grigorjewitsch Seredinzews sowie Interviews bzw. Briefe aus der Sammlung Marina Panikars bzw. des Vereins Kontakte von: Wladimir Matweewitsch Chaustow, Fodossij Maksimowitsch Chotjajtschuk, Aleksandr Gawrilowitsch Denissow, Viktor Dumnow, Michail Alekseewitsch Iltschenko, Wladimir Nikolaewitsch Kalnin, Timofej Timofeewitsch Kljuch, Alksandr Iosifowitsch Lifanrjew, Lopatin, Sergej Semjonowitsch Makarow, Moroz, Igor Jakowlewitsch Trapizin, Nikolaj Dorofeewitsch Trubenko.


Dr. Marina Panikar, Staatliche Nord-Arktische Universität Archangelsk

Die NS-Lager für sowjetische Kriegsgefangene im Norden Norwegens und deren Lebensbedingungen dort

Am 26. Februar 1940 wurden vom Oberkommando der Wehrmacht (OKW) die „Überlegungen zu den politischen und administrativen Maßnahmen bei der Besetzung Norwegens, Dänemarks und Schwedens“ veröffentlicht. In ihnen wurden die Richtlinien für die Besetzung der nördlichen Staaten festgelegt, unter denen Norwegen besondere Bedeutung zukam.

In dem Dokument heißt es, dass in Norwegen in erster Linie deutsche Militärbasen geschaffen werden sollen, und zwar in Oslo, Arendale, Kristiansand, Stavanger, Bergen, Trondheim, Narvik und Andalsnes.

Des weiteren wird darüber gesprochen, dass die Arbeiten an den Eisenbahnlinien Oslo – Lillehammer – Trondheim und Narvik – Riksgränsen – Luleå von großer Wichtigkeit seien. Die Schaffung von Transportverbindungen war in erster Linie mit den NS-Plänen verbunden, die Rohstoffvorkommen des Landes im Interesse der Wirtschaft des Reiches zu nutzen und in Skandinavien einen mächtigen militärischen Brückenkopf zu schaffen.

Als im April 1940 die Operation „Weserübung“ abgeschlossen war und Norwegen und Dänemark von NS-Truppen besetzt wurden, erhob sich vor dem deutschen Oberkommando die Frage, woher die für die Realisierung der aufgestellten Pläne erforderlichen Arbeitskräfte zu nehmen seien. Gerade die Notwendigkeit eines Arbeitskräfte-Reservoirs war in Norwegen der Grund für ein verzweigtes System von Lagern für Kriegsgefangene und „Ostarbeiter“.

Schon am 5. Juli 1941 wurde vom OKW eine Verfügung über die Überstellung von 20.000 sowjetischen Kriegsgefangenen nach Norwegen erlassen.

Bei der Ankunft in Norwegen wurden die sowjetischen Kriegsgefangenen auf drei Basis-Lager verteilt – Stammlager (Stalags) als Verteilungspunkte für den Transport der Gefangenen in Arbeitslager. Jedes Stalag war für die Lager verantwortlich, die ihm auf einem bestimmten Territorium unterstanden.

Das Verwaltungssystem der Stalags und Bataillone auf dem Gebiet Norwegens

Das NS-System der Kriegsgefangenenlager in Norwegen, geleitet vom Kommandanten für das Kriegsgefangenenwesen Generalmajor Klemm, bestand aus den Stalags mit Lagern für Kriegsgefangene (22.893 Mann), Luftwaffen-Baubataillonen für Kriegsgefangene (6.188 Mann), Baubataillonen (5.204 Mann), Arbeitsbataillonen (35.986 Mann) und Versorgungsbataillonen (1.095 Mann). Die nach Norwegen überführten sowjetischen Kriegsgefangenen wurden nach folgenden Prinzipien ausgewählt – ihrer physischen Verfassung und der Fähigkeit, die verschiedensten Arbeiten zu verrichten, ein Teil von ihnen auch nach Berufsqualifikationen, wie es auch für andere besetzte Territorien üblich war.

In der Regel kamen die sowjetischen Kriegsgefangenen über deutsches Gebiet nach Norwegen. Alle Transporte dorthin gingen über den deutschen Hafen Stettin.

Vom Wehrmachtskommando waren spezielle Anordnungen für den Transport der sowjetischen Kriegsgefangenen ausgearbeitet worden, denen zufolge die Kriegsgefangenen auf Transportschiffen mit jeweils 800 Mann überführt werden sollten. Bei der Ankunft in Norwegen wurden sie mit bestimmten Zügen zu einem der drei Basis-Stalags gebracht.

Die ersten sowjetischen Kriegsgefangenen kamen auf norwegisches Gebiet im August 1941. Am 9. November 1941 waren es schon 2.847 Mann. Wie aus der zweiten Tabelle ersichtlich ist, wurden sie in erster Linie nach Nord-Norwegen gebracht, wo bekanntermaßen britisch-sowjetische Kräfte Operationen in größerem Ausmaß durchführten.

In den Dokumenten des deutschen Kommandos in Norwegen wird darauf hingewiesen, dass 21 Kriegsgefangenenlager die Struktur der (ursprünglich) vier Basis-Stalags bildeten. Hier gab es neben den sowjetischen Kriegsgefangenen auch gefangene Jugoslawen, Polen und Angehörige anderer Länder, 93-95 % aller Kriegsgefangenen waren jedoch sowjetische.

Der größte Teil aller Kriegsgefangenen war in der Nordprovinz Nordland konzentriert, wo Arbeiten zum Bau einer Eisenbahnverbindung verrichtet wurden.

Im Dezember 1945 errechnete man 14.902 im Lande umgekommene sowjetischer Gefangene.

Auf Grundlage der vorliegenden bearbeiteten Materialien kann mit großer Sicherheit angenommen werden, dass im Laufe des Zweiten Weltkrieges die Anzahl sowjetische Bürger auf dem Territorium Norwegens ca. 100.800 Personen ausmachte, davon waren ungefähr 91.800 Kriegsgefangene und 9.000 Ostarbeiter.

Bedingungen des Umgangs mit den Kriegsgefangenen

In den Dokumenten des deutschen Kommandos in Norwegen hat die Autorin ein sog. Merkblatt mit Instruktionen für Lager, die dem Stalag 303 unterstanden, gefunden. In dem entsprechenden Dokument wird mehrfach darauf hingewiesen, dass die Kriegsgefangenen so behandelt werden sollten, dass ihre Arbeitskraft erhalten bliebe und „ihre maximale Arbeitsproduktivität erreicht wird“. Derartige Richtlinien unterstreichen noch einmal das eigentliche Ziel der Verbringung von Kriegsgefangenen nach Norwegen: ihre Arbeitskraft auszubeuten.

Es gab – was die Vorgabe und die Gefangenenzahl des Lagers anbelangt – unterschiedliche Lager: von einigen Hundert bis zu mehreren Zehntausend Mann. Im voraus errichtete Lagergebäude gab es nicht, daher wurden die Kriegsgefangenen in Baracken untergebracht, heruntergekommenen Gebäuden oder Scheunen.

Gemäß der Lagerinstruktion musste das Lager an einem gut überschaubaren Ort liegen, um die Bewachung zu gewährleisten. Das Gelände war in der Regel mit zwei Reihen 2,5 m hohem Stacheldraht-Zaun umgeben; mit Abstand zum Boden von höchstens 50 cm. Und die beiden Stacheldraht-Zäune hatten lt. Instruktion in der Regel einen Abstand von zwei Metern. Außerdem musste das Lager außen gut beleuchtet sein.

Der innere Lageraufbau war ebenfalls durch Vorschriften bestimmt. Die Pritschen in den Baracken waren übereinander in drei Rängen angeordnet. Bei der Verladung in Deutschland sollte jeder Kriegsgefangene eine Art Ausrüstung für die Zeit des Transports und den Aufenthalt im Lager erhalten, wozu eine Decke, ein Handtuch, eine Tasse und Löffel gehörten. Allem Anschein nach versuchte das deutsche Kommando damit der Ausbreitung von Infektionskrankheiten und Epidemien vorzubeugen. Zu den Schlafstellen gehörten Strohmatratzen und alte Decken, die allerdings oft nicht vorhanden waren. So schliefen die Kriegsgefangenen direkt auf dem Stroh oder auf dem nackten Boden.

Es ist zu vermuten, dass in den Lagern unter den Kriegsgefangenen eine bestimmte Hierarchie herrschte, wie sie für KZ charakteristisch war – Hilfskräfte und Helfer für die Lageradministration, die sog. Lagerprominenz, Boten, Polizisten usw. 5-10 % der gesamten Häftlingszahl bildeten diese privilegierte Klasse.

Es fällt schwer, genau zu sagen, wie sehr dies in den NS-Lagern in Norwegen vertreten war. In dem deutschen Merkblatt wird bestätigt, dass die Lagerwache nicht selten aus den Kriegsgefangenen selbst bestand, die für eine zusätzliche Ration und bessere Lebensbedingungen „freiwillig mit den Deutschen zusammenarbeiteten“.

In deutschen Dokumenten wird angeführt, dass die Lager so geheizt sein sollten, dass die Kriegsgefangenen nicht auskühlen und ihre Kleidung trocknen konnten. Eine norwegisch-sowjetische Kommission stellte nach dem Krieg jedoch fest, dass die Lagergebäude schlecht oder gar nicht geheizt wurden, was in den Baracken zu vielen Erfrierungen führte.

Laut der Kommission wurden den Kriegsgefangenen gute Kleidung und Schuhwerk abgenommen. Trotz des großen Frostes hatten viele von ihnen keine Oberbekleidung. In der Regel hatten sie keine Strümpfe, keine Fausthandschuhe und Unterwäsche und erhielten keine passende Kleidung für ihre schwere Arbeit. Es gab keinerlei Regen- und Kälteschutz für sie, was die Arbeitsbedingungen besonders zur Winterzeit zusätzlich verschärfte.

Neben den unbefriedigenden Bedingungen der Unterbringung der Kriegsgefangenen in den NS-Lagern in Norwegen waren die miserablen Lebensmittelrationen die wichtigsten Gründe für die Sterblichkeit unter ihnen.

Größte Bedeutung fiel der Erhaltung der Arbeitskraft zu. In vielen Lagern, besonders in Nord-Norwegen fehlte es an Küchen und Essräumen. Die Kriegsgefangenen bereiteten sich ihr Essen selbst auf offenem Feuer zu und benutzten dafür Blechbüchsen und Eimer.

Die Tagesration der sowjetischen Kriegsgefangenen in Norwegen bestand aus einem Liter vegetarischer Suppe, 300 Gramm Brot, manchmal etwas Fleisch, Kartoffeln oder Fisch. Das bestätigen auch die Erinnerungen eines ehemaligen Kriegsgefangenen: „Wir kriegten drei Mal zu essen, morgens kalten Tee, mittags Suppe aus verfaultem Gemüse und Steckrüben – sowohl die Häftlinge wie auch die Deutschen nannten die Suppe Stacheldraht – , etwas Brot und Tee am Abend, 200 Gramm Margarine verteilt auf 20 Personen.“ An Kalorien waren das ungefähr 40-60 % weniger als ein Mensch braucht, der schwere körperliche Arbeit verrichtet.

Diese Versorgungslage gibt eine gute Vorstellung vom Gesundheitszustand der Kriegsgefangenen. Ärzte waren im Lager in der Regel Häftlinge. Tuberkulose, Grippe, Eiweiß- und Vitaminmangel waren die Haupterkrankungen bzw. Gründe für die Sterblichkeit der Häftlinge in den NS-Lagern in Norwegen. Diese Aufzählung der Erkrankungen zeigt, dass neben den unzureichenden Lebensmittelrationen auch das ungünstige Klima der Regionen im Norden des Landes einen nicht geringen Einfluss auf den Gesundheitszustand der Häftlinge hatte. Hier war auch der größte Teil der Kriegsgefangenen untergebracht.

Gleichzeitig wird in dem Merkblatt in Norwegen besondere Aufmerksamkeit auf die hygienische Situation gelegt, die in den Unterkünften der Kriegsgefangenen herrschte.

In einem Brief Major L. Kreibergs, der verantwortlich war für die Repatriierung der Kriegsgefangenen aus der Provinz Nordland vom 30. Dez. 1943 nach London heißt es, dass die Lage in Norwegen, was Epidemien anbelangt, äußerst problematisch ist – so gab es neben verbreitetem Läusebefall, häufigen Tuberkulose-Erkrankungen und Disentherie, im Gebiet Kirkenes ungefähr 2.300 Fälle von Paratyphus und Infektionskrankheiten, die vor der Okkupation hier unbekannt waren. Allerdings wurden solche Epidemien, die zum massenhaften Untergang der Lagerhäftlinge in Norwegen führten, nicht erwähnt.

Zugleich blieb der Krankenstand in vielen Lagern in Norwegen bis Ende des Krieges sehr hoch. So waren am Tag der Befreiung im Lager Oppdal unter den 964 Kriegsgefangenen 360 bettlägerige Kranke, im Lager Nes waren 90 % krank.

Eine weitere Todesursache unter den sowjetischen Kriegsgefangenen war neben Hunger und Krankheiten der brutale Umgang mit ihnen seitens der Wachen.

„Da die sowjetischen Kriegsgefangenen als Feinde der Wehrmacht gelten, muss der Umgang mit ihnen von besonderer Strenge und Wachsamkeit geprägt sein“, heißt es im Merkblatt des Stalags 303.

Am 6. Sept. 1941 wurde eine Verfügung des deutschen Kommandos in Norwegen über das Verhalten gegenüber den sowjetischen Kriegsgefangenen herausgegeben. In dem Dokument wird auf das Verbot des Umgangs mit den Gefangenen und der Weitergabe von Korrespondenz an sie hingewiesen. Auf dem Lagergelände gab es Tafeln mit Aufschriften in russischer Sprache wie „Stehenbleiben. Bei Weitergehen wird geschossen.“ Bei Fluchtversuchen hatte die Wache das Recht, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen.

Der Wachposten musste, was seinen Standort anbelangte, jederzeit in der Lage sein, die Waffe zu benutzen. Es war ihm verboten, dem Gefangenen den Rücken zuzukehren. Für die Wachaufsicht wurde ein Soldat auf zehn Gefangene berechnet. Gegen Arbeitsverweigerung oder Protest wurde unverzüglich eingeschritten.

Das Lager wurde rund um die Uhr bewacht. Die Posten befanden sich entlang der gesamten äußeren Begrenzung des Lagers. Zwei Mal am Tag – morgens und abends – mussten die Gefangenen zur Überprüfung antreten.

Ihnen war kategorisch verboten, in Kontakt zu den Einheimischen zu treten oder irgendeine Hilfe von ihnen anzunehmen. Für den Versuch, irgendetwas Essbares aufzutreiben, wurden sie mit den Gewehren verprügelt und konnten dafür erschossen werden. Arbeitsverweigerung und Fluchtversuche wurden durch Erschießung bestraft.

Vom ersten Tag an des Aufenthalts der Kriegsgefangenen in Norwegen unternahmen die deutschen Behörden strenge Maßnahmen, um zu verhindern, dass die einheimische Bevölkerung Kontakt zu den Lagerhäftlingen bekam. Um die Bevölkerung einzuschüchtern und die Kontaktaufnahme mit den sowjetischen Kriegsgefangenen zu verhindern, wurden strenge Bestrafungen durchgeführt.

In der Regel befanden sich die Lager für sowjetischen Kriegsgefangene am Rande besiedelter Orte und nicht weitab von der Straße. Daher war es den Einheimischen möglich, Bündel mit Essen am Straßenrand oder am Lagerzaun abzulegen.

Außer dass die Norweger mit Lebensmitteln halfen, versteckten sie auch geflohene Kriegsgefangene, obwohl sie wussten, dass ihnen für die Beteiligung an Fluchtversuchen die Todesstrafe drohte. Die einheimische Bevölkerung half den Gefangenen mit Kleidung, Lebensmitteln und dadurch, dass sie sie in die Reihen der norwegischen Widerstandsorganisation – Hjemmefront – einschleuste. In Norwegen gab es eine ganze Einheit aus den Lagern geflüchteter sowjetischer Kriegsgefangener. Sie organisierten Verstecke, Ablenkungsmanöver und Sabotageakte.

Die Ausnutzung der Arbeit der sowjetischen Kriegsgefangenen in Norwegen

Hauptziel für das deutsche Kommando bezüglich der sowjetischen Kriegsgefangenen war die erzwungene Ausnutzung der Arbeitskraft im Interesse der Wehrmacht.

Das Reichskommissariat für Norwegen war ein Organ, bei dem die Verantwortung für die Ausnutzung der Arbeitskraft der Gefangenen auf dem Territorium des Landes lag. In der Abteilung Technik und Verkehr wurden unter der Leitung von Dr. Klein Pläne erarbeitet, die Richtung, Maßstab und Ergebnisse der Arbeit der Gefangenen in den verschiedenen Bau-Objekten betrafen. Die Organisation Todt erfüllte z.T. ähnliche Funktionen.

Unter den Kriegsbedingungen des Dritten Reiches in Norwegen hatten zwei Bau-Objekte herausragende Bedeutung: Die „Nordlandbahn“, über die der Transport von Metallen, in erster Linie Nickel, für die deutsche Wirtschaft durchgeführt werden sollte und die Marinebasis in Trondheim, der wichtigste Punkt bei der Behinderung der alliierten Seestreitkräfte der Anti-Hitler-Koalition.

In einer Veröffentlichung des Arbeitsministeriums beim OKW in Berlin wurden die wichtigen Berufsarten genannt, deren Vertreter für die Aufrechterhaltung der Ökonomie des Reiches unbedingt notwendig waren: Bergleute, Metall- und Bauarbeiter, Schlosser, Transportarbeiter und ebenfalls Schuhmacher. Kriegsgefangene dieser Berufe wurden auch für Norwegen angefordert. Der Bau von Küstenbefestigungen, Straßen und Eisenbahnstrecken, Förderung von Bodenschätzen, Arbeit in den Häfen waren die hauptsächlichen Betätigungsfelder der sowjetischen Kriegsgefangenen in Norwegen.

Die Beschäftigung sowjetischer Kriegsgefangener auf dem okkupierten Gebiet Norwegens

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Im Protokoll der Kommission heißt es, dass sowjetische Menschen für die Ausführung der schwersten Arbeit herangezogen wurden. Dabei wurde die Arbeit in der Regel per Hand verrichtet, ohne technische Hilfsmittel.

Was die Dauer des Arbeitstages anbelangt, so richtete sie sich nach keiner Norm und war überall unterschiedlich. Im Durchschnitt schwankte sie in den verschiedenen Lagern zwischen 10 und 14 Stunden, d.h. also etwa 12 Stunden.

Der Straßenbau in Norwegen erlangte hinsichtlich des Einsatzes sowjetischen Kriegsgefangene höchste Priorität. In den Arbeits- und Bau-Bataillonen wurden die Gefangenen beim Bau neuer Straßen, bei deren Ausbesserung, der Verbesserung und Verbreiterung alter Straßen, bei der Schneebeseitigung, beim Bau von Eisenbahnstrecken und unterirdischen Wegen zu den Basen und Lagern eingesetzt. So zählte man 1942 zwölf große Straßenbau-Objekte, in denen die Kriegsgefangenen arbeiteten.

Eines der wichtigsten Objekte wurde der Bau der Nordlandbahn, die Mo i Rana mit Kirkenes verbinden sollte. Sie sollte dem Transport von Militär und Ausrüstung sowie von Metallen dienen, die in Nord-Norwegen gefördert wurden. Außerdem konnte diese Strecke im Falle eines Durchbruchs deutscher Kräfte in den nördlichen Gebieten für einen Einfall in die Sowjetunion genutzt werden, denn dort trafen die Grenzen der nördlichen Länder zusammen.

Der Organisation Todt, die mit dem Reichskommissariat für Norwegen konkurrierte, gelang es, den für sie günstigen Auftrag und das Recht für den Bau der Nordlandbahn zu erhalten. Daher war gerade sie ab 1942 verantwortlich für die Durchführung der Baumaßnahmen.

Die Eisenbahnstrecke Nordlandbahn kann man in zwei Abschnitte unterteilen, den nördlichen und den südlichen. Beide befanden sich in der Provinz Nordland. Im nördlichen Teil des Bauvorhabens von Fauske nach Drag (ungefähr 130 km) lagen 23 Lager mit 9.361 sowjetischen Kriegsgefangenen. Im südlichen Teil Fauske – Mo lagen ebenfalls einige Dutzend Lager, deren Kriegsgefangene beim Bau des Objektes beschäftigt waren.

Im ganzen waren bei der Nordlandbahn bis Anfang 1945 in 67 Arbeitslagern 20.432 sowjetische Kriegsgefangene beschäftigt, das waren ungefähr 26 % von ihnen in Norwegen. Man weiß, dass es in diesem Gebiet eine hohe Sterblichkeit unter den Häftlingen gab. Es ist daher zu vermuten, dass die Arbeitsbedingungen der Kriegsgefangenen besonders schwer waren.

Die Anzahl sowjetischer Kriegsgefangener bei den Bau-Abschnitten in Norwegen von Juli 1943 bis April 1944

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Für die zehn Monate, in denen sich die sowjetischen Kriegsgefangene in der Zuständigkeit der Organisation Todt befanden, vergrößerte sich ihre Zahl um 8.527 Personen. Das zeigt das große Ausmaß der Bautätigkeit der Organisation in Norwegen und die breite Ausnutzung der Arbeitskraft. Die Tabellen spiegeln das Anwachsen der Anzahl der Kriegsgefangenen, die in Narvik, Fauske, Bergen und beim Bau der Nordlandbahn eingesetzt wurden, anschaulich wider. Über die Bedeutung dieser Bau-Objekte wird auch in den „Gedanken über die politischen und administrativen Maßnahmen bei der Besetzung Norwegens, Dänemarks und Schwedens“ gesprochen.

Die Dokumente der Organisation zeugen davon, dass Kriegsgefangene und „Ostarbeiter“ die hauptsächlichen Arbeitskräfte darstellten, deren größten Teil Sowjetbürger bildeten.

Übersetzung: Ingrid Damerow