BLODVEGER – NS-Zwangsarbeit in Nord-Norwegen

Hanna Sjöberg

Das Fluchtland Schweden im 2. Weltkrieg

Als Deutschland am 9. April 1940 in Dänemark und Norwegen einmarschierte, bedeutete dies für Schweden, dass es nun von kriegführenden Ländern umgeben war. Der Angreifer im Süden und Westen war Deutschland, der Angreifer im Osten die Sowjetunion, und beide waren im Nichtangriffspakt von Molotow-Ribbentrop miteinander verbunden.

Während des finnischen Winterkrieges hatte Schweden nicht am Krieg teilgenommen, aber beträchtliche Mengen militärischer Ausrüstung waren nach Finnland geschickt worden. Die schwedische Regierung wollte, dass Schweden unter keinen Umständen in den Krieg verwickelt würde. Nach dem deutschen Angriff auf Dänemark und Norwegen betonte Schweden, dass es ein neutrales Land sei.

Unmittelbar nach dem Angriff flohen Tausende Norweger nach Schweden. Nach einigen Wochen Verwirrung an den Grenzübergängen wurde ein System zur Aufnahme von Flüchtlingen entwickelt. Es wurde zum Vorbild für die gesamte schwedische Flüchtlingspolitik während des Krieges. Die norwegischen Flüchtlinge wurden von den norwegischen Exilbehörden – der Landesvertretung im Exil – betreut. Die Aufnahme und Verteilung der Flüchtlinge innerhalb Schwedens erfolgte in Zusammenarbeit zwischen den schwedischen Behörden und der Gesandtschaft. Man half den Flüchtlingen, in den schwedischen Arbeitsmarkt aufgenommen zu werden, oder sie wurden finanziell unterstützt. Die norwegische Gesandtschaft hatte auch das Recht zu entscheiden, welche Flüchtlinge als „Quislinge“ angesehen wurden oder nicht zuverlässig waren. Sie riskierten, dass ihre Aufenthaltserlaubnis befristet wurde oder sie sogar interniert wurden, z.B. in Långmora in Dalarna oder Rengsjö in Hälsingland. Es war nicht formal geregelt, aber in der Praxis hatte die norwegische Gesandtschaft eine Art „juristische Macht“ über die Flüchtlinge, wodurch sich die schwedischen Behörden nicht mit vielen heiklen Fragen befassen mussten. Man sah auch kein größeres Problem darin, dass die norwegischen Exilbehörden einen so großen Einfluss besaßen. Die Norweger waren ein kleiner Nachbar, den Schweden kulturell und politisch eng verbunden.

Schweden wollte sicherstellen, dass jeder Staat für seine geflüchtete Bürger sorgt. Jedes Land hatte ein eigenes Flüchtlingsbüro, das für seine Flüchtlinge verantwortlich war und auch die Kosten für sie übernahm. Sowohl die Gesandtschaft als auch der schwedische Staat bemühten sich, dass der Flüchtling so schnell wie möglich arbeiten, sich selbst versorgen und einen Beitrag zum öffentlichen Haushalt leisten sollte.

Ein wichtiger Arbeitsbereich war der Wald. Schwedens Verbindungen nach Westen wurden durch die Deutschen in Norwegen unterbrochen. Der Handel war beschränkt und das Schlimmste war der Mangel an Kohle, Koks und Öl. Die Flüchtlinge mussten im Wald arbeiten. Damit ein männlicher Flüchtling in seinem Beruf eine Arbeitserlaubnis erhielt, musste er zunächst fünf Monate im Wald gearbeitet haben. Hunderte von Lagern für Holzfäller wurden errichtet – nach Nationen aufgeteilt – mit bis zu zwanzig Flüchtlingen, einer Köchin und einem Vorarbeiter oder Ausbilder. Die Köchin und der Vorarbeiter waren Schweden. In Mittelschweden z.B. in Dalarna und Västmanland gab es besonders viele Lager. Es waren waldreiche Gebiete, nicht weit von Stockholm entfernt. In Stockholm wurden Schulhöfe und Sportplätze in Holzlager verwandelt.

Die ca. 2000 sowjetischen Flüchtlinge, die aus den deutschen Lagern in Norwegen nach Schweden fliehen konnten, wurden an sieben Orten interniert. In Lisma, südlich von Stockholm, befand sich das zentrale Sammellager. In den Wäldern im Süden von Dalarna und der Gemeinde Skinnskatteberg gab es die Lager Krampen, Baggbron, Baggå und Abborrtjärn; außerhalb von Gävle Hagaström und außerhalb von Uppsala Storvreta. In Byringe bei Strängnäs wurden 164 sowjetische Marine-Soldaten interniert.

Die sowjetische Gesandtschaft verlangte Informationen über alle in Schweden lebenden Russen. Für sie war wichtig, dass die sowjetischen Flüchtlinge nicht in die schwedische Gesellschaft integriert wurden. Die Flüchtlinge sollten in besonderen Einrichtungen unter der Kontrolle der sowjetischen Gesandtschaft untergebracht werden. Der Leiter des Lagers war jedoch immer Schwede. In den Archivunterlagen wird deutlich, dass es nicht selten Konflikte zwischen der schwedischen Lagerführung und dem Vertreter der sowjetischen Gesandtschaft gab, der sich große Freiheiten nahm. In einem Schreiben vom Februar 1945 heißt es „Die Ausländerkommission der Regierung teilt aus gegebenem Anlass mit, dass das Hissen einer nicht-schwedischen Fahne (im Freien) in den Ausländerlager der Kommission nicht erlaubt ist“ . Die Anlagen befanden sich auf schwedischem Gebiet, es galt das schwedische Gesetz.

Kurz nach dem Waffenstillstand zwischen der Sowjetunion und Finnland am 19. September 1944 wurde die erste Rückführung von sowjetischen ehemaligen Kriegsgefangenen in die Sowjetunion durchgeführt. Am 10. Oktober 1944 fuhren die schwedischen Schiffe der Reederei Svea Örnen und Warjo von Gävle aus nach Åbo/Turku in Finnland. An Bord befanden sich etwa 900 Russen, darunter 130 Marine-Soldaten aus dem Byringe-Internierungslager. Von Åbo/Turku wurden sie mit dem Zug in die von der Sovjetunion kürzlich eroberten Stadt Wiborg in Karelien gebracht. Dort gab es ein erstes Durchsuchungslager. Später kamen einige der Repatriierten nach Kalinin ins Lager.

Im Sommer 1945 wurden etwa 35.000 Russen aus den befreiten Lagern Norwegens durch Schweden transportiert, die meisten von ihnen über Luleå nach Uleåborg/Oulu in Finnland.

Aus den Lagern in Norwegen war an die neunzig Jugoslawen die Flucht über die Grenze nach Schweden gelungen. Petar Stojanović konnte aus dem Lager Botn in Rognan fliehen. „Norweger halfen mir dabei, mich über die Grenze zu bringen. (…) Ich war 25 Tage in Arjeplog. Von dort aus fuhr ich nach Stockholm“. Dort hat er sich, wie die anderen Flüchtlinge, bei der Botschaft gemeldet. Sie berichteten über die Festnahme in Jugoslawien, den Transport nach Norwegen und den Aufenthalt in den Lagern. Es ist anzunehmen, dass man in der jugoslawischen Botschaft darüber empört war, als man erfuhr, wie ihre Landsleute in den Lagern behandelt wurden. Die Botschaft der jugoslawischen Exilregierung in Stockholm versuchte auch Vorräte in die Lager in Norwegen zu schicken. Der jugoslawische Botschafter in Stockholm, Aleksandar Avakumović, wurde noch am 30. März 1943 von der Londoner Exilregierung darüber informiert, dass man durch eine Anfrage des Roten Kreuzes erfahren habe, dass die deutschen Behörden keine serbischen „Kriegsgefangenen“ in Norwegen hätten. Sie wurden als Kriminelle und nicht als Kriegsgefangene betrachtet und erhielten daher keinen Schutz nach der Genfer Konvention.

In Schweden kam es zu Konflikten zwischen den jugoslawischen Flüchtlingen. Eine Gruppe in Uppsala und Enköping gründete Fritt Jugoslavien (Freies Jugoslawien), eine republikanische und revolutionäre Organisation, die sich der jugoslawischen Exilregierung in London widersetzte und in Konflikt mit der Gesandtschaft in Stockholm geriet.

Die Botschaft verlangte von der Behörde, die die Aufenthaltserlaubnis erteilte, “keinem der Flüchtlinge in den Städten mit Universitäten wie Stockholm, Uppsala und Lund eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, da diese Absichten gezeigt haben, mit den Schweden zusammen für ihre eigenen Ziele zu arbeiten“ . Die meisten jugoslawischen Flüchtlinge befanden sich allerdings in Uppsala und waren einigermaßen zufrieden mit ihrer Behandlung in Schweden, aber sie sollten arbeiten und sich selbst versorgen. Anfang Januar 1944 erhielt die Botschaft von einem gewissen Herrn Johansen in Falköping einen Brief, dass ein Mann namens Petar Petković „hier in Falköping ohne Existenz ist. Er hat keine Kleider am Leib, keine Schuhe, Was machen Sie mit ihm?“ Die Botschaft antwortete, Petković habe 350 Kronen für Bekleidung und sieben Kronen pro Tag erhalten, diese Gelder seien jedoch eingezogen worden „da jeder, der nicht direkt krank ist, sich eine Arbeit suchen muss“ .

Der Krieg in Europa bedeutete, dass es einen riesigen Flüchtlingsstrom nach Schweden gab. In den dreißiger Jahren waren es hauptsächlich Flüchtlinge aus Deutschland, politische Gegner der Nationalsozialisten und jüdische Flüchtlinge. Im Juli 1939 wurde die Zahl der Flüchtlinge auf rund 4000 geschätzt. Es gab freiwillige Flüchtlingskomitees und Einzelpersonen, die sich um die Flüchtlinge kümmerten, aber die Situation wurde zunehmend unhaltbar. Im Mai 1939 beschloss der Reichstag, 500.000 Kronen für die Flüchtlingshilfe bereitzustellen. Zum ersten Mal wurde vorgeschlagen, dass der Staat die soziale und wirtschaftliche Verantwortung für Flüchtlinge übernimmt. Es blieb jedoch das Ziel, dass der schwedische Staat so wenig Verantwortung wie möglich tragen solle.

Fast während des gesamten Zweiten Weltkriegs galt das Ausländergesetz von 1937, ein Gesetz, das bereits 1927 verabschiedet worden war und gegen die Einwanderung restriktiv war. Dennoch nahm Schweden in den Kriegsjahren rund 200.000 Flüchtlinge auf. Das formale Gesetz war viel restriktiver als das praktische Vorgehen der Behörden. Aus dem Gesetzestext von 1936 ist jedoch ersichtlich, dass damals angenommen wurde, dass die Flüchtlingsfrage in Zukunft anders behandelt werden müsse. „Aber auch unser Land hat den neuen Faktor im Bereich des Wandels der Menschen gespürt. Die Frage des Asylrechts, die zum Zeitpunkt des Ausländergesetzes hauptsächlich von theoretischem Interesse war, hat eine ungeahnte Aktualität erhalten.“