BLODVEGER – NS-Zwangsarbeit in Nord-Norwegen

Sinje Kätsch: Die norwegische Bevölkerung unter der deutschen Besatzung und ihr Kontakt mit den Gefangenen

Michael Stokke: Das deutsche Gefangenenlagersystem im besetzten Norwegen und die Rolle der norwegischen Bevölkerung

Eystein Markusson: Der zweite Weltkrieg in Norwegen


Sinje Kätsch

Die norwegische Bevölkerung unter der deutschen Besatzung und ihr Kontakt mit den Gefangenen

Deutschland besetzte am 9. April 1940 ganz Norwegen. Verwaltungsbeamte, Wehrmachts-, SS- und SA- Angehörige bestimmten in der Folge den Alltag der Norweger*innen. Die norwegische Verfassung wurde außer Kraft gesetzt. Der König und die Regierung waren nach England ins Exil geflüchtet. Norwegen wurde zum Reichskommissariat, de facto deutsches Reichsgebiet.

Bis zur Befreiung waren dort 400.000 Soldaten der Wehrmacht stationiert. Im Verhältnis zur relativ geringen Bevölkerungszahl von nicht einmal drei Millionen Einwohner*innen und ihrer Konzentration auf die größeren Städte waren die Machtverhältnisse deutlich. Zumal auch nicht alle Norweger*innen gegen die Besatzung waren und, wenn auch prozentual gering, ca. jede*r 50. dem faschistisch-völkischen Gedankengut zumindest zugeneigt war. In der Ideologie von „Blut und Boden“ galten die Norweger*innen als „Aufnordung für die arische Rasse“.

Josef Terboven wurde Reichskommissar und alle norwegischen Parteien wurden verboten, bis auf die nach dem deutschen Vorbild gegründete Nasjonal Samling. In meist jeder Ortschaft gab es somit „Quislinge“; benannt nach dem Parteiführer Vidkun Quisling, dem Verbindungsmann von Hitler und Rosenberg.

Denn unter Extrembedingungen teilt sich die Gesellschaft deutlicher, als im Alltag der Zwischenkriegszeiten. Man wird quasi in bestimmten, wie auch immer – existenziellen – Situationen gezwungen, sich zumindest innerlich zu positionieren. Auch wenn das vielleicht oft nicht sichtbar wird. Denn es gibt die berechtigte Angst vor Verhaftung und die mangelnde Erfahrung im konspirativen Umgang, um sich vor Verhaftungen zu schützen, die viele von „größeren Unternehmungen“ abhält. Aber wenn ganz „normale“ Menschen plötzlich sehen mit welcher Brutalität andere behandelt werden, wird es für viele von ihnen zumindest schwieriger, sich heraus zu halten. Entweder schweigen und mitmachen oder mitleiden und heimlich helfen. Vom Prinzip her. Entweder siegt die Nächstenliebe, Menschenfreundlichkeit oder Moral, wie immer man es auch nennen mag, oder eben die Niedertracht, Gier oder Feigheit. So ist es überall und auch heute.

Verrat war auch im besetzten Norwegen eine latente Gefahr. Norwegische Jüdinnen und Juden wurden nach Auschwitz deportiert und ermordet. Viele Norwegerinnen und Norweger flohen ins neutrale Schweden oder auch mit Fischkuttern nach England, um dort z.B. durch den S.O.E. in Sabotage und Konspiration ausgebildet zu werden und auf geheimen Wegen nach Norwegen zurückzukehren, um Anschläge gegen die Besatzung durchzuführen. Meist waren sie mit der Organisation Milorg verbunden. Norwegische Kommunist*innen waren tendenziell eher an Moskau orientiert, wie die Gruppe Oswald oder Partisaneneinheiten in der nördlichen Finnmark, die etliche erfolgreiche Sabotageaktionen durchführten, wo es aber auch zu vielen Verhaftungen und Hinrichtungen kam.

Norweger*innen, die offen Widerstand leisteten wurden verhaftet, gefoltert und in Konzentrationslager gesperrt. Viele von ihnen wurden auch im Rahmen der „Nacht und Nebel Aktion“ an unbekannte Orte ins Deutsche Reich verschleppt.

Die meisten Norweger*innen waren gegen die faschistische Ideologie und erst recht gegen die Besatzung. Doch nur wenige waren organisiert. Viele fanden sich mit der Besatzung ab, verbargen aber das Bild des Königs hinter dem einen oder anderen Vorhang. Oft war auch ein nicht abgeliefertes Radio versteckt, um dem Kriegsgeschehen von alliierter Seite aus folgen zu können. Gerade in den ländlichen und dünn besiedelten Gegenden im Norden waren die Anwohner*innen Zeug*innen der unmenschlichen und sadistischen Behandlung der über 100.000 Zwangsarbeiter, die dort in etliche Lager gesperrt, unter ständiger Lebensgefahr für die Organisation Todt Zwangsarbeit leisten mussten. Viele Norweger*innen versuchten, trotz der Gefahr, die es für sie bedeutete, den Gefangenen mit Essen und Kleidung oder auch bei Fluchtplänen zu helfen. Auf „Gefangenenbegünstigung“ stand ein Jahr Festung. Es konnte aber auch sein, dass die Wächter gleich von der Schusswaffe Gebrauch machten. Vorherrschend war ein Gefühl der Solidarität mit den Gefangenen. Das geht aus etlichen Berichten der ehemaligen Gefangenen hervor, die darin immer wieder betonten, wie wichtig diese Verbundenheit und Unterstützung – in welcher Form auch immer – für ihr Überleben gewesen sei.

Viele Norweger*innen wurden auch zwangsverpflichtet für die deutschen Besatzer zu arbeiten. Dies brachte oft die Nähe zu den Gefangenenlagern mit sich. War es als LKW-Fahrer für Baumaterial, als Sekretärin im Stab der Wehrmacht, als Arbeiter im Barackenbau, überall wurden sie so mit dem Elend der Gefangenen konfrontiert. Viele gaben später ihre Beobachtungen zu Protokoll, als es nach der Befreiung darum ging, den Tätern den Prozess zu machen. Zu den Angeklagten zählten neben den zahlreichen wegen Landesverrat angeklagten „Quislingen“ auch die norwegischen Wächter. Hier lautete die Anklage auch auf Mord bzw. Beihilfe zum Mord. Etwa 400 waren als hirdvakter von der SS ausgebildet worden. Ungefähr 95% dieser norwegischen SA waren Mitglied in der Nasjonal Samling. Sie wurden in Ausbildungslagern darin geschult, mit welchen „Untermenschen und Banditen“ sie es in den Lagern zu tun hätten. Entsprechend berichteten Zeug*innen von der extremen Brutalität der norwegischen Wächter.

Große norwegische Staatsunternehmen und Firmen, wie NSB (die staatliche Eisenbahn), Statens veivesen (die staatliche Straßenbaubehörde), Norsk Hydro (Energieunternehmen) arbeiteten im Sinne des Profits mit den deutschen Besatzern und deutschen Firmen zusammen; auf ein Heer von Arbeitssklaven zurückgreifen zu können, lag vordergründig im ökonomischen Interesse.


Michael Stokke, Historiker Narviksenteret (nach seinen Notizen von Sinje Kätsch)

Das deutsche Gefangenenlagersystem im besetzten Norwegen und die Rolle der norwegischen Bevölkerung

Jedes Erleben ist subjektiv und kein Leid kann mit Anderem verglichen werden. Und doch lässt sich in der unterschiedlichen Behandlung der Gefangenengruppen eine Art Hierarchie erkennen, die dem nationalsozialistischen „Herrenmenschendenken“ entspringt.

Die Gefangenen, die in deutschen Lagern eingesperrt und unter menschenunwürdigen Bedingungen Zwangsarbeit für die NS-Diktatur verrichten mussten, wurden abhängig von ihrer Nationalität und ihrer sogenannten Rasse unterschiedlich behandelt.

Die Behandlung meint einerseits die Arbeits- und Lebensbedingungen in den Lagern, andererseits die Arten von Misshandlung und die Todesrate.

Die nationalsozialistische Ideologie unterteilt die Menschen in „lebenswert“ und „lebensunwert“ , in „höherwertige“ und „minderwertige Rassen“. Je überzeugter die Gefangenenbewacher von dieser menschenverachtenden Logik waren, desto brutaler war auch die Behandlung der Gefangenen.

In Norwegen gab es insgesamt 620 Gefangenenlager. Sie waren in Kriegs-, Straf- und Wehrmacht-Strafgefangenenlager unterteilt, sowie in Polizeihäftlingslager für norwegische Gefangene. Hinzu kamen noch die Lager für die zivilen Zwangsarbeiter*innen und die Zwangsverpflichteten. Die Kriegsgefangenenlager waren der Wehrmacht unterstellt, die Strafgefangenenlager der SS und die Wehrmacht-Strafgefangenen dem NS-Justizministerium.

Diese Gefangenenhierarchie, die sich aus den Beobachtungen der unterschiedlichen Haftbedingungen ableitet, lässt folgende Schlussfolgerung zu: Von den insgesamt 130.000 in Norwegen inhaftierten Zwangsarbeiter*innen war die Gruppe der europäischen zivilen Zwangsarbeiter*innen am besten gestellt. Sie kamen aus Ländern wie Belgien, Frankreich oder der Tschechoslowakei. Von ihnen wurden diejenigen aus alliierten Ländern, wie Italien oder Kroatien weniger drangsaliert, als die aus nicht-alliierten Ländern. Hier galten jedoch die europäischen bzw. nordeuropäischen Gefangenen den Deutschen quasi als Hausangestellte.

Anders war es mit den polnischen zivilen Zwangsarbeitern. Sie wurden schon allein aufgrund ihrer slawischen Herkunft als „minderwertige Rasse“ angesehen.

Absteigend nach ihnen kamen in der Rangfolge dann die polnischen Kriegsgefangenen. Sie erhielten Lohn für ihre Arbeit und waren in insgesamt 30 Lagern inhaftiert.

Es folgten die sowjetischen zivilen Zwangsarbeiter*innen, die „Ostarbeiter“. Unter ihnen waren auch Frauen. Sie waren in 15 Lagern untergebracht und besser gestellt; aber natürlich sollten sie als „Slawen und Bolschewiken“ von den „Herrenmenschen“ maximal ausgebeutet werden.

Ab März 1943 kann dann die Gruppe der jugoslawischen Kriegsgefangenen genannt werden. Erst ab diesem Zeitpunkt wurden sie als Kriegsgefangene behandelt, was sich in einer gewissen Verbesserung ihrer Situation bemerkbar machte. Ihre Todesrate sank von vorher bis 73% auf 12%. Das war immerhin noch jeder Achte, der das Grauen nicht überlebte. Doch der neue Status bot ihnen etwas mehr Schutz. Sie waren nicht mehr so sehr der Willkür ausgesetzt und konnten ferner Rote-Kreuz-Pakete empfangen, die ihre Ernährungssituation deutlich verbesserten. Zudem war nach 1943 einigen Entscheidungsträgern klar geworden, dass der „Endsieg“ nicht gerade greifbar war, und auch, dass für die exorbitanten Baupläne der „OT“ (Organisation Todt) nicht unendlich „Menschenmaterial“, wie sie es nannten, zur Verfügung stand. Es galt zu „haushalten“. Die Behandlung und Essensrationen auf einem Niveau zu halten, das gerade noch das Überleben sicherte und nicht wie vorher, das Sterben herbeiführte.

Nach den jugoslawischen Kriegsgefangenen folgten die sowjetischen Kriegsgefangenen in der Rangordnung, die über Leben und Tod entschied. Sie waren mit insgesamt 95.000 Gefangenen die mit Abstand größte Gruppe. In Nord-Norwegen gab es 290 Lager für sowjetische Kriegsgefangene. Der NS-Ideologie nach waren sie zweifache „Untermenschen“, die als Slawen keinerlei ebenbürtige „Daseinsberechtigung“ hatten und als Teil der „jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung“ zu bekämpfen waren. Als Kriegsgefangene waren sie der Wehrmacht unterstellt – in der zumindest nicht alle so überzeugte Nationalsozialisten waren wie in den SS-Bataillonen oder bei ihren norwegischen Pendants den „hirdvaktern“ – und somit nicht ganz so schlecht gestellt, wie die jugoslawischen Gefangenen vor dem März 1943.

Natürlich wurden auch sie bei viel zu wenig Nahrung, unzureichender Bekleidung und sadistischer Behandlung zu schwerer und gefährlicher Arbeit gezwungen, bei der viele ihr Leben ließen. 13 % starben an Misshandlung, Hinrichtung, Hunger, Erfrierungen oder unbehandelten Krankheiten und körperlicher Erschöpfung.

Ähnlich erging es den deutschen Gefangenen. Deserteure, Kommunisten u.a. Regimegegner sowie sogenannte Kriminelle. 2.600 wurden 1942 aus den Emsland – Lagern nach Nord-Norwegen deportiert. Sie sollten als Strafgefangene der Wehrmacht Zwangsarbeit für die „OT“ verrichten und waren den Nationalsozialisten als „Vaterlandsverräter“ verhasst, die es zu strafen galt. Einige hatten „Rückkehr unerwünscht“ in ihre Papiere gestempelt bekommen. So wurden sie auch behandelt. Möglicherweise ging es ihnen noch schlechter, als den sowjetischen Kriegsgefangenen, da man an ihnen ein Exempel statuieren wollte. Von ihnen starb ein Drittel. Ein Drittel wurde als „Kanonenfutter“ an die Front, in ein „Bewährungsbataillon“ geschickt und knapp 300 wurden am Ende von den Alliierten befreit. Ihre Lager waren dem Justizministerium unterstellt. Ihre Bewacher waren allesamt Mitglieder der SS, SA und NSDAP, die von der Wehrmacht freigestellt und in Justizuniformen eingekleidet den Nord-Norwegen-Transporten als Lagerwächter mitgegeben wurden.

Den jugoslawischen Gefangenen, die bis März 1943 in 25 Lagern unter dem Kommando der SS inhaftiert waren, erging es am schlimmsten. Sie waren der sadistischsten Behandlung ausgesetzt, die durchaus auf dieselbe Stufe mit der in den Konzentrationslagern gestellt werden konnte.

Ihre Todesrate lag bei 73 %. Als angebliche Partisanen waren sie den Deutschen verhasst und die Ausbeutung der Arbeitskraft war dort nur sekundär wichtig. Sie sollten regelrecht zu Tode geschunden werden. Das Massaker in Beisfjord und die menschenverachtende Behandlung auch in anderen dieser Lager – die durch viele Berichte öffentlich wurde – belegt, dass es auch um die Vernichtung dieser Menschengruppe ging. Das betraf unter ihnen hauptsächlich die Serben.

Denn unter den jugoslawischen Gefangenen gab es, wenn auch anteilig weniger, ebenso Mazedonier und Bosnier und Kroaten, deren Staat mit Deutschland alliiert war. Sie waren deshalb in den Lagern keineswegs durchweg in derselben schlechten Position wie die Serben, sondern wurden gerne als Kapos oder Übersetzer, als rechte Hand der Aufseher, eingesetzt, die sich deren Hass auf die Kommunisten zunutze machten. Verallgemeinern lässt sich dies aber nicht. Überläufer gab es in allen jugoslawischen Bevölkerungsgruppen, auch bei den Serben. Doch eine Tendenz ist deutlich zu erkennen.

Die serbischen Gefangenen, oft waren sie noch sehr jung, hatten Unvorstellbares zu überstehen.

Nicht in der Hierarchie enthalten sind die ca. 30.000 zwangsverpflichteten norwegischen Arbeiter. Ihre Position entsprach nicht der von Gefangenen. Sie bekamen Lohn, waren für sechs bis zwölf Monate zwangsverpflichtet und nicht immer nur für ausschließlich kriegswichtige Interessen eingesetzt, sondern arbeiteten z.B. auch in der Landwirtschaft. Aber da die deutsche Besatzung über nicht genügend Facharbeiter*innen verfügte, wurden Norweger*innen z.B. zur Büroarbeit oder als Bauarbeiter zwangsverpflichtet. Sie waren also in einer anderen Situation, als die Gefangenen, deren Lager sie dann z.T. errichten mussten. Die oberste Priorität der deutschen Besatzer war seit 1942, besonders seit Goebbels Rede über den „totalen Krieg“, der „kriegswichtigen Arbeit“ unbedingten Vorrang zu geben.

Das meinte besonders die oben bereits kurz erwähnte „Organisation Todt“ (OT), die halbmilitärische Bauorganisation im NS-Staat. Sie war dafür zuständig, in Norwegen, wie auch in den anderen besetzten Ländern, eine gigantomanische kriegswichtige Infrastruktur aufzubauen. So sollten die Eisenerztransporte über Narvik sichergestellt werden und Straßen und Schienenwege von Lübeck bis zum Nordkap, samt Bunker und Verteidigungsanlagen entlang der gesamten norwegischen Küste die deutsche Herrschaft zementieren.

Da Männer im arbeitsfähigen Alter fast ausnahmslos an der Front waren, brauchte es anderweitige Arbeitskraft, die der ökonomischen Logik nach, mit so geringem finanziellen Aufwand wie möglich maximal auszubeuten war. Das „Herrenmenschendenken“ lieferte dazu eine passende Legitimation.

Viele norwegische Großunternehmen wehrten sich nicht dagegen, Zwangsarbeiter zu beschäftigen. Im Gegenteil, sie profitierten kräftig davon. So arbeiteten sowohl norwegische, als auch deutsche Firmen für die OT, wie z.B. Statens veivesen, die staatliche Straßenbauorganisation, als auch die NSB, die norwegische Staatsbahn, Hand in Hand mit den deutschen Besatzern.

In Norwegen gab es nicht nur Widerstand gegen die deutsche Besatzung, sondern durchaus auch Zuspruch in einem Teil der Bevölkerung, den sogenannten „Quislingen“, den norwegischen Faschisten. Die Nasjonal Samling war das norwegische Pendant zur NSDAP; die einzige nicht verbotene Partei war deren williger Zuträger.

So wurde dann auch unter ihren Anhängern mittels Anzeigen in den Tageszeitungen für eine Anstellung als Lageraufseher geworben, als sogenannte hirdvakter, eine Art norwegische SA. Ihnen wurde gutes Geld und Kinderzuschläge versprochen, wenn sie sich zu dieser Tätigkeit bereit erklärten. SS-Bataillone waren für ihre Ausbildung in Süd-Norwegen zuständig. Dann wurden sie in die verschiedenen Lager in Nord- Norwegen wie in Korgen, Osen, Botn, Beisfjord und Karasjok, allesamt berüchtigt für ihre besonders schlechte Behandlung der jugoslawischen Gefangenen, geschickt, um dort in diesem Sinne zu agieren. Was sie auch taten, brutal und rücksichtslos. Insgesamt waren sie 400 hirder. Sogar Jugendliche von gerade einmal 15 Jahren meldeten sich, der älteste war 58 Jahre alt.

Sie waren natürlich nicht alle „Überzeugungstäter“, wie viele in ihren Verhören nach 1945 erklärten: von ihnen wäre niemals Gewalt ausgegangen; sie hätte schlicht und einfach das Geld gelockt. Nach Aussagen von Überlebenden und norwegischen Zivilisten, die in der Nähe der Lager wohnten oder selbst auf Baustellen arbeiteten, waren die norwegischen Wachen genauso brutal und trugen ein eben solch menschenverachtend rassistisches Gedankengut in sich, wie ihre deutschen Ausbilder.

So ging später das komplette hirdvaktbataljon in das SS-Wachtbataillon über. 50 von ihnen wurden schlussendlich verurteilt und weitere 50 sollten den Ermittlern in Oslo zufolge verurteilt werden, wozu es aber offenbar dann doch nicht kam. Ihre Strafen beliefen sich auf drei Jahre bis lebenslänglich.

Der größte Teil der norwegischen Bevölkerung war allerdings weder in der einen noch der anderen Seite aktiv involviert. Viele arrangierten sich mit der Besatzung, aber viele halfen auch den Gefangenen und versuchten immer, etwas von ihren Essensrationen abzuzweigen.

Manche versteckten auch geflohene Gefangene bei sich und andere wiederum halfen den Flüchtenden nach Schweden zu gelangen.

Manche waren organisiert. Manche waren Kommunisten, andere Christen, oder Patrioten, die die Besatzung aktiv bekämpften. Sie hatten über Funk Kontakt nach London und/oder Moskau.

In jedem Ort wussten die Menschen voneinander meistens, wem sie trauen konnten und wem nicht. Geholfen wurde oft heimlich. Später fanden sich Dankesgeschenke der sowjetischen und jugoslawischen Gefangenen in vielen norwegischen Vitrinen.

Viele Gefangene berichteten später nach ihrer Befreiung, wie wichtig und wie wertvoll die Solidarität und Hilfe der Norweger*innen für sie war. Sie hätten ihr Leben für sie riskiert. Das würden sie ihnen niemals vergessen.


Eystein Markusson, Direktor, Narvik War and Peace Centre

Der Zweite Weltkrieg in Norwegen

Einführung

Obwohl der Zweite Weltkrieg als historisches Phänomen zeitlich klar definiert werden kann, ist Inhalt und Menge des Hintergrundmaterials enorm. Daher muss mein Vortrag sich darauf beschränken einen Überblick über Ereignisse, die nur ein Teil des Zweiten Weltkrieges sind, zu geben. Aus einer Institution in Nord-Norwegen kommend, wird mein Fokus ein nördlicher sein.

Norwegen in der Zwischenkriegszeit / strategische Position und strategische Bedeutung für andere Länder

In den frühen Morgenstunden des 9. April 1940 fuhr eine Gruppe von zehn Zerstörern in den Hafen von Narvik ein, versenkte die Kriegsschiffe “Eidsvold” und “Norge” tötete dabei 282 Seeleute. Gleichzeitig wurde Norwegen von NS-Deutschland mit sechs militärischen Verbänden angegriffen, die mehr als Tausend Kilometer voneinander entfernt waren.

Warum ist das passiert? Ich werde kurz die Hintergründe und Ereignisse vor dem Angriff erwähnen und dann zum Krieg in Norwegen zurückkehren.

Während des ersten Weltkrieges war Norwegen neutral, obwohl oft als “neutraler Verbündeter” bezeichnet. Diese Strategie hat funktioniert und Norwegen aus dem Krieg herausgehalten.

Als NS-Deutschland in den 1930er Jahren zu einer Bedrohung wurde, sah die norwegische Regierung die Notwendigkeit, stärkere Streitkräfte zu haben. Die Jahre zuvor waren eine Zeit der Abrüstung, die Streitkräfte waren weitgehend vernachlässigt worden und ihr Zustand war schlecht. Obwohl die verfügbaren Mittel für neue Ausrüstung in den späten 30er Jahren drastisch erhöht wurden, gab es auf dem Markt nur wenig verfügbares Material. Deshalb waren die norwegischen Streitkräfte, als der Krieg begann, in einem sehr schlechten Zustand, eine Luftwaffe war kaum vorhanden, die Marine veraltet, und die Armee hatte kaum schwere Ausrüstung wie Panzer, keine Handgranaten und leichte Maschinengewehre. Der allgemeine Ausbildungsstand war auch schlecht.

Die norwegische Position, als der Zweite Weltkrieg im September 1939 begann, war wie die ihrer Nachbarn Schweden, Finnland und Dänemark: sie sollten neutral bleiben. Schließlich hatte es im letzten Krieg einigermaßen funktioniert.

Der finnische Winterkrieg

Am 30. November 1939 griffen sowjetische Truppen Finnland an und begannen den sogenannten finnischen Winterkrieg. Unter den West-Alliierten drängte Frankreich seine britischen Verbündeten, eine zweite Front zu eröffnen, um die kommende Westfront zu entlasten. Eine der Initiativen war eine Expeditionstruppe zur Entlastung Finnlands, die in Narvik landen, mit der Eisenbahn nach Schweden und schließlich nach Finnland fahren sollte. Winston Churchill, der Hauptbefürworter dieses Plans wollte, dass Finnland entlastet, aber auch das Eisenerz Nordschwedens unter die Kontrolle der Alliierten gebracht wird. Durch die Transit-Weigerung Norwegens und Schwedens und die Tatsache, dass die Alliierten katastrophal schlecht organisiert waren, wurde diese Aktion jedoch nie in Gang gesetzt. Bevor sie beginnen konnte, unterzeichneten Finnland und die Sowjetunion im März 1940 einen Friedensvertrag.

Vor dem Beginn des Winterkrieges gab es keine klaren Anzeichen dafür, dass Hitler unmittelbare Pläne zur Besetzung Norwegens hatte. In einer Militärstudie, die an die Situation während des Ersten Weltkrieges erinnerte, als Deutschland ohne Versorgung durch die britische Marine eingeschlossen war, argumentierte das deutsche Militär, dass in einem zukünftigen Konflikt mit Großbritannien die norwegische Küste zu kontrollieren sei, um eine sichere Durchfahrt zu den deutschen Häfen zu gewährleisten.

Im Herbst 1939 begann Admiral Raeder mit der Planung eines Angriffs auf Norwegen, der jedoch bis (zur Altmark-Affäre) Anfang 1940 eine geringe Priorität hatte. Hitler und Churchill machten sich auch wegen des Winterkrieges und der Geheimdienstinformationen Gedanken über die Eisenerzversorgung vom Hafen in Narvik aus. Ende 1939 befahl Hitler einen Angriff auf Norwegen und Dänemark vorzubereiten – die Operation Weserübung.

Der Angriff auf Norwegen – eine Übersicht

Wie bereits erwähnt, bestand die Operation Weserübung aus einem gleichzeitigen Angriff durch sechs verschiedene deutsche Militärverbände, von Oslo im Südosten bis Narvik im Norden. Der Angriff war ein gewagter Zug mit relativ kleinen Verbänden, aber geschickt durchgeführt; in Verbindung mit völliger Überraschung und Glück, war er erfolgreich.

Alle Ziele wurden am Morgen des 9. April 1940 ohne größere Verluste erreicht – mit einer Ausnahme. Außerhalb von Oslo wurde das Marineschiff Blücher versenkt und mehr als 800 deutsche Soldaten wurden getötet. An Bord war auch Personal und wichtiges Material für die Übernahme der norwegischen Verwaltung. Dies erwies sich als ein wichtiger Faktor, der es der norwegischen Regierung, dem König und dem Parlament ermöglichte, der Hauptstadt zu entkommen und sich weiter nördlich zu begeben, nachdem ein deutsches Angebot zur Zusammenarbeit abgelehnt worden war.

Der Angriff kam für die norwegische Regierung überraschend. Obwohl von Norwegern in Deutschland Warnungen vor einem Angriff auf Norwegen übermittelt wurden, ergriff man keine Maßnahmen und der Befehl zur Mobilisierung der norwegischen Armee wurde nicht vor dem 9. April erteilt und danach – fast nicht zu glauben – per Briefpost verschickt. Diese mangelhafte Reaktion ist seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges immer noch eine Debatte und scharfe Kritik in Norwegen.

Die Kämpfe im Süden

In Süd-Norwegen zielte der Oberbefehlshaber darauf ab, die deutschen Invasoren zu bekämpfen, bis die alliierte Hilfe kommen konnte. Französische und britische Truppen landeten, waren aber so schlecht organisiert und ausgerüstet, dass sie zusammen mit den Norwegern am 30. April Süd-Norwegen die Kämpfe beendeten.

Die Kämpfe im Norden

Die Situation im Norden war etwas anders. Die zehn deutschen Zerstörer, die Narvik angriffen – der einzige Angriff im Norden, konnten nicht so schnell wie geplant zurückkehren und die Besatzung ging in Narvik an Land. In zwei Schlachten am 10. und 13. April griffen britische Kriegsschiffe alle deutschen Zerstörer und Versorgungsschiffe an und zerstörten sie. Das waren damals 47% der Zerstörer der Kriegsmarine und ein schwerer Schlag für die geplante Invasion Großbritanniens. Die deutschen Mannschaften wurden weitgehend gerettet und kämpften an Land in norwegischen Uniformen, aus erbeuteten Lagern.

Aufgrund des finnischen Winterkrieges waren norwegische Grenzsoldaten, die die Neutralität überprüfen sollten an der finnisch-norwegischen Grenze platziert – das ist heute die russisch-norwegische Grenze. Nach der Unabhängigkeit von Russland im Jahr 1920 erhielt Finnland Zugang zum Arktischen Ozean durch den Petsamo-Korridor.

Zur Zeit des Angriffs auf Norwegen sollten die Grenzsoldaten demobilisiert werden, da der finnische Winterkrieg gerade beendet war. Obwohl sie nicht als Kampftruppen ausgebildet waren, wurden sie mobilisiert und unterstanden dem militärischen Kommando. Sie kamen hauptsächlich aus den nördlichen Regionen und lebten als Fischer und Jäger im harten arktischen Klima.

Darüber hinaus landeten britische, französische und polnische Truppen und starteten einen Gegenangriff. In Kombination mit der alliierten Seedominanz und der britischen Air Force, die die Luftwaffe herausforderte, wurden die Deutschen erfolgreich Richtung schwedische Grenze getrieben. Am 28. Mai wurde Narvik zurückerobert, obwohl die Alliierten bereits beschlossen hatten, Narvik wegen der verzweifelten Lage der Alliierten auf dem Kontinent/an der Westfront, zu verlassen. Die Rückeroberung von Narvik wurde in der Propaganda aller Seiten stark benutzt und bis heute hat Narvik einen besonderen Klang in Polen und Frankreich. (Und vielleicht auch in Deutschland?) Es war ein schrecklicher Schock für die Norweger, dass die Alliierten sie verließen, und ohne Unterstützung war die Kapitulation der einzige Ausweg. Am 7. Juni flohen der König und die Regierung nach London, wo eine Exilregierung errichtet wurde, die während des gesamten Krieges arbeitete. Am 10. Juni kapitulierten die norwegischen Streitkräfte und fünf Jahre Besatzung begannen.

An den Kämpfen in Norwegen im Frühjahr 1940 nahmen schätzungsweise mehr als 40.000 Soldaten teil und 10.000 Menschen starben.

Besatzungsmacht – sehr kurzer Überblick über System und Konsequenzen

Während der deutschen Besatzung unterstand die Verwaltung dem Reichskommissar Joseph Terboven, wenn auch norwegische Nazis wie Vidkun Quisling in seiner Regierung waren. Das Parlament wurde aufgelöst und es gab keine legale Regierung mehr.

Darüber hinaus war die Anwesenheit der Wehrmacht und der SS in Norwegen von Bedeutung und beide Organisationen hatten großen Einfluss auf das tägliche Leben der Norweger. Aufgrund der rassistischen Ideologie des Nationalsozialismus galten die Norweger als Arier und die Nazis glaubten, dass die Norweger einen Genpool für das Reich bilden könnten.

Die Besatzungsmacht kontrollierte oder beeinflusste alle Bereiche des täglichen Lebens. Sie war brutal und rassistisch; 772 Juden von insgesamt 2100 und 16.500 ausländische Gefangene gehörten zu den Todesopfern und insgesamt 40.000 Norweger wurden verhaftet, von denen viele in die Konzentrationslager deportiert wurden. Und doch war die Besatzungsmacht in Norwegen weniger brutal als in den meisten anderen besetzten Ländern, höchstwahrscheinlich wegen des rassistischen Elements in der nationalsozialistischen Ideologie.

Aufgrund der Größe Norwegens, seiner geringen Einwohnerzahl (ca. 3 Millionen damals) und der großen militärischen Präsenz Deutschlands, war der Kontakt zwischen der Zivilbevölkerung und den Deutschen häufig; insbesondere in kleineren Städten und ländlichen Gegenden, in denen das Verhältnis von Deutschen zu Norwegern höher als 3:1 sein konnte. Dies führte zu unterschiedlichen Arten von Kollaboration und Beziehungen zwischen den Einheimischen und den Besatzern.

Bedarf an Infrastruktur

Die norwegische Infrastruktur vor dem Krieg war unterentwickelt. Wie erwähnt, war das Land dünn besiedelt und entlang der Küste wurden die meisten Transporte mit Fischerbooten und kleinen Schiffen durchgeführt. Es gab Eisenbahnen zwischen Oslo, Bergen und Trondheim, aber in dem Rest des Landes fehlten vor allem Eisenbahnen und Fernstraßen. Es sollte auch bedacht werden, dass dies vor der Zeit liegt, in der Flugreisen allgemein üblich waren! Die Küste war während des gesamten Krieges alliierten Luftangriffen ausgesetzt.

Daher begann die Besatzungsmacht mit dem großflächigen Aufbau der Infrastruktur wie Eisenbahnen, Autobahnen, Flughäfen, Kais und Häfen. Die Hauptgründe dafür waren die Notwendigkeit Güter und Menschen sicher zu transportieren. Zweitens sollten viele Waren wie Fisch und Bodenschätze aus Norwegen heraus gebracht werden um die Kriegswirtschaft zu unterstützen. Drittens, als die Planung für den Angriff auf die Sowjetunion im Sommer 1940 begann, war es notwendig, eine große Anzahl von Truppen und Munition an die norwegische Grenze Richtung Finnland / Russland zu transportieren. Viertens benötigte der Bau von Befestigungsanlagen – der Atlantikwall – entlang der langen Küstenlinie Norwegens auch Infrastruktur. Der Bau des Atlantikwalls wurde nach den Lofoten-Angriffen intensiviert.

Die Lofoten-Angriffe

Die Lofoten-Angriffe waren zwei Überfälle, die von britischen und norwegischen Kommandos auf den Lofoteninseln im März und Dezember 1941 durchgeführt wurden. Ein weiterer Überfall wurde weiter südlich ausgeführt. Die Angriffe waren militärisch erfolgreich, zerstörten die Infrastruktur und nahmen deutsche und norwegische Nazis in Haft. Die Rache gegen die Zivilbevölkerung war aber brutal. Die wichtigste langfristige Folge war jedoch, dass sie Hitlers Glauben festigte, dass eine Landung der Alliierten in Norwegen erfolgen würde. So wurde der Bau des Atlantikwalls im Jahr 1942 zur Überwachung und zum Angriff der Konvois genutzt, die durch das Leih- und Pachtgesetz (land-lease) von Großbritannien und den USA aus und nach Murmansk durch den Arktischen Ozean fahren konnten.

Barbarossa

Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion begann am 22. Juni 1941. Der größte Teil der Front ging durch Mitteleuropa, aber im Norden erstreckte sich die karelische Front von dem finnischen Meerbusen bis zum Arktischen Ozean. Der nördlichste Teil des Angriffs wurde über die Grenze von Norwegen nach Finnland und weiter in die Sowjetunion gestartet. Das Ziel war Murmansk einzunehmen und vor allem die Eisenbahn, die die Stadt mit Leningrad verbindet. Dies wurde „Operation Silberfuchs“ genannt. Am Anfang machten die deutschen Streitkräfte gute Fortschritte, aber wegen fehlender Straßen und zunehmend schlechtem Wetter erstarrte buchstäblich die Front im Herbst 1941 in der Nähe des Flusses Liza auf der Kola Halbinsel. Sie blieb praktisch unverändert, bis die Rote Armee im Herbst 1944 einen massiven Gegenangriff startete, auf den ich noch zurückkommen werde.

Es war Hitlers Idee, dass sich der Großraum, den er für das “Volk” schaffen wollte, entlang des gesamten Eismeers erstrecken sollte und daher eine Eisenbahnstrecke notwendig wurde. Im “Wiking-Befehl” an die Organisation Todt beorderte Hitler die bereits erwähnte Intensivierung des Atlantikwalls, den Bau einer neuen Straße von Oslo zum Nordkap und eine neue Eisenbahn – die Polareisenbahn – von Nordland nach Kirkenes an der russischen Grenze. Die Eisenbahn sollte in zwei Jahren fertig sein: mehr als 1000 km in extremer Berglandschaft mit Fjorden, die die Landschaft durchschnitten und einen Großteil des Jahres mit gefrorenem Boden, der mit Schnee bedeckt war. Wie so vieles, was die Nazis planten, war es der totale Wahnsinn.

Bedarf an Arbeitskraft

Um diese enormen Aufgaben zu bewältigen, wurde eine große Anzahl von Arbeitskräften benötigt. Wie bereits erwähnt, war Norwegen dünn besiedelt und der größte Teil der Bevölkerung war in der Landwirtschaft, Fischerei u.ä. beschäftigt, was auch für die Besatzer von Bedeutung war.

Nach dem Angriff auf die Sowjetunion im Jahr 41, der am Anfang schnell voranschritt, wurden Millionen sowjetische Soldaten zu Kriegsgefangenen.

Zwangsarbeit

Es wird geschätzt, dass insgesamt 130.000 Menschen als Gefangene und Zwangsarbeiter nach Norwegen gebracht wurden. Die meisten von ihnen kamen aus der Sowjetunion, aber viele verschiedene Gruppen und Nationalitäten waren auch dabei, wie Jugoslawen, Polen und sogar deutsche Strafgefangene.

Das Zwangsarbeitssystem ist das Hauptthema eines Projektes, an dem wir heute beteiligt sind.

Ein Teil von ihnen wurde nach Norwegen gebracht, um an Befestigungen, Eisenbahnen, Straßen und anderer Infrastruktur zu arbeiten. Die Zahl der Häftlinge erhöhte sich, nachdem der Wiking-Befehl der Organisation Todt übergeben worden war. Es war ein wahnsinniger Plan und es gibt heute noch keine Eisenbahn. Es gibt Spekulationen darüber, dass Fritz Todt ermordet wurde, weil er bei Hitler über den Bau der Polareisenbahn protestiert hatte. Auf jeden Fall stürzte sein Flugzeug nach dem Treffen mit Hitler ab und ebnete so Albert Speer den Weg Leiter der Organisation Todt zu werden.

Hitler bat Speer, alle Todts Aufgaben zu übernehmen – Minister für Bewaffung und Munition, Generalbevollmächtigter für die Bauwirtschaft, Leiter der OT etc. Speer war auf dem Weg aus dem Zimmer, als der Führer ihn noch einmal ansprach:

»Noch eine Sache, Herr Speer, ich will, dass Sie die Eisenbahn in Norwegen für mich bauen, wie Terboven es vorgeschlagen hat. “

Die Zahl der Todesopfer in den Lagern war von unglaublichen 84% in einem Lager für jugoslawische Gefangene, bis zu sehr viel niedrigeren Zahlen in anderen Teilen des Landes. Insgesamt betrug die Zahl der toten Gefangenen und Zwangsarbeitern in ganz Norwegen 16.500 Personen. Der größte Teil davon stammte aus der Sowjetunion, aber prozentual waren die Jugoslawen am ärgsten betroffen. Viele Faktoren spielten dabei eine Rolle, wie zum Beispiel das Klima – einzelne Lager befanden sich in den Bergen oder in der Tundra, aber auch die Neigung zur Gewalt seitens des Lagerkommandanten. Die Organisation Todt erkannte aber auch, dass Gefangene Essen bekommen müssen, um die Arbeit erledigen zu können, so dass sich die Bedingungen im Lauf des Krieges geringfügig verbesserten.

Gegenwärtig führen wir ein Projekt mit Partnern aus Russland und Norwegen durch, um die Lager entlang einer Eisenbahnstrecke in der Provinz Nordland zu erforschen, zu dokumentieren und darüber zu informieren. Auf dieser Strecke von 180 Kilometern gibt es 56 bekannte Lager und Gedenkstätten.

Die sowjetische Befreiung der östlichen Finnmark

Die Deutschen begannen den Rückzug von der Front in Murmansk im September 1944, nachdem Finnland gegenüber der Sowjetunion kapituliert hatte und die große Anzahl deutscher Soldaten, die an der karelischen Front in Finnland kämpfte, sich zurückziehen musste.

Die sowjetische Offensive begann am 7. Oktober und erreichte am 28. die norwegische Grenze. Am 8. November hatte sie den Fluss Tana in Norwegen erreicht, wo sie beendet wurde. Ein besonderes Merkmal der sowjetischen Offensive ist, dass es kein Bestreben gab in Nord-Norwegen Fuß zu fassen, nur soweit wie das Militär für die Sicherung des sowjetischen Territoriums und der Grenzen benötigte. Es kann hinzugefügt werden, dass es lange Angst und Schrecken unter den Norwegern gegeben hat, dass die Russen im 19. und frühen 20. Jahrhundert sie erobern wollten.

Ein weiteres interessantes Merkmal der sowjetischen Befreiung des nordöstlichen Teils von Norwegen ist, dass die sowjetischen Soldaten sich sehr gut aufführten und es nur wenige Beschwerden durch die Zivilbevölkerung gab.

Widerstand

Überall im Land gab es Widerstandsbewegungen, vor allem die norwegische Milorg, aber auch durch die Geheimdienste der USA und Großbritannien und ein umfangreiches Netzwerk von kommunistischen Widerstandsgruppen im ganzen Land. Eine wenig bekannte Tatsache ist, dass es in der Finnmark in Nordostnorwegen eine von der Sowjetunion organisierte Partisanenbewegung gab. Die meisten von ihnen waren norwegische Kommunisten, die nahe der Grenze lebten und in der ersten Besatzungszeit in die Sowjetunion geflohen waren, aber auch sowjetische Bürger nahmen an den Aktivitäten teil, die sich hauptsächlich auf die Überwachung deutscher Konvois entlang der Küste konzentrierten. Eine interessante Tatsache über die norwegischen Partisanen ist, dass sie fast alle aus dem kleinen Dorf Kiberg stammten.

Die Zerstörung von Finnmark und Nord-Troms

Als der deutsche Kommandant an der Murmansk Front, Lothar Rendulic, den Rückzug der deutschen Truppen im Oktober 1944 anordnete, wurde beschlossen, die Region Finnmark und den nördlichen Teil von Troms zu evakuieren und die Taktik der verbrannten Erde anzuwenden. Insgesamt wurden 75.000 Zivilisten die Evakuierung befohlen, aber etwa 23.000 flüchteten und lebten weiter in der Region. Das war eine schwere Entscheidung, denn es gab keine Gebäude mehr. Sie waren von der sich zurückziehenden Wehrmacht bis auf den Grund niedergebrannt und der Winter stand bevor.

Das Niederbrennen war die dramatischste und traumatischste Episode des Krieges, die immer noch Familien und die gesamte Region berührt. Die Fläche, umfasste über 50.000 km². Dies zeigt einiges, was im Herbst 1944 zerstört wurde:

11.000 Häuser und Bauernhöfe

106 Schulen

230 Industriebauten

420 Geschäfte

140 Gemeindezentren

53 Hotels und Gasthöfe

21 Krankenhäuser und Kliniken

27 Kirchen

22.000 Telegraphenmasten

350 Brücken

180 Leuchttürme

118 Kraftwerke

350 Motorboote

200 Fischereien

Über 300 Norweger kamen bei der Evakuierung ums Leben.

Frühling 1945

Der Rückzug von der Front in Murmansk brachte einen massiven Zustrom von Vertriebenen aus dem Nordosten Norwegens mit sich, die Zuflucht und Nahrung benötigten. Die sich zurückziehende Wehrmacht mit ihren Zivilisten, SS-Truppen, Kriegsgefangenen und Pferden hatte eine große Einwirkung auf das Land. Zu der Zeit betrug die Anzahl der Deutschen ca. 382.300 Personen und 77.500 Kriegsgefangene. Dies beeinflusste die Zivilbevölkerung. Besonders in ländlichen Gebieten zog die Wehrmacht in die Erdgeschosse gewöhnlicher Bauernhäuser und zwang die Besitzer, im ersten Stock zu leben.

Es gab Befürchtungen im Frühjahr 1945, dass die deutschen Truppen in Norwegen den Kampf nach Kriegsende fortsetzen würden, aber das ist nicht geschehen. Die deutschen Truppen in Norwegen legten am 8. Mai ihre Waffen nieder und arbeiteten mit den norwegischen Behörden zusammen.

Auch die norwegische Exilregierung befürchtete, dass die sowjetischen Truppen im Nordosten Norwegens bleiben würden, sie zogen sich jedoch am Abend des 25. September 1945 friedlich an die heutige norwegisch-russische Grenze zurück.

In solchen Prozessen gibt es immer Spannungen, aber in Norwegen ging der zweite Weltkrieg mit relativ wenig Gewalt zu Ende. Wie bereits erwähnt, gab es aktive Widerstandsbewegungen, die ich in diesem Vortrag aber nicht behandeln werde. Sie sorgen aber für einen reibungslosen Übergang der Regierungsgewalt.

Prozesse und Vergeltung

Nach dem Krieg wurden 92.805 Norweger wegen Landesverrats angeklagt und 46.085 zwischen 1945 – 52 verurteilt.

30 Personen erhielten die Todesstrafe, darunter der norwegische Naziführer Vidkun Quisling.

72 wurden zu lebenslanger Haft verurteilt.

17.146 bekamen Gefängnisstrafen.

3.450 verloren ihre Bürgerrechte.

25.180 wurden bestraft.

Die meisten wurden verurteilt, weil sie Mitglieder der norwegischen nationalsozialistischen Partei Nasjonal Samling waren und als Soldaten zu den Kriegshandlungen beitrugen oder anderweitig mit der Besatzungsmacht kollaborierten. So meldeten sich etwa 4.500 Norweger freiwillig zu der SS-Division Wiking an der Ostfront, die meisten davon in Karelien.

Übel behandelt wurden Frauen, die mit Deutschen fraternisiert hatten. Viele von ihnen wurden auf die Straße gezerrt, nachdem der Mob ihnen die Haare geschoren hatte und einigen wurde die Staatsbürgerschaft aberkannt.

Gedenken

Wie in jedem Land, das von einem fremden Staat mit Gewalt besetzt wird, war auch in Norwegen das Gedenken an den Krieg in den Nachkriegsjahren durch die Darstellung der Deutschen und norwegischen Nazis als Böse der Geschichte, gekennzeichnet, während der Widerstand um Oslo herum und vielleicht unter Einbeziehung der norwegischen Armee in Narvik, die Helden der Geschichte waren, der Rest des Landes Opfer. Wie häufig unmittelbar nach einem solch dramatischen Ereignis, gibt es ein Bedürfnis, die Geschichte so zu erzählen. Und die erzählte Geschichte ist nicht unwahr, aber es fehlten zum Beispiel Hinweise auf die Zusammenarbeit mit norwegischen Bauunternehmen. Interessant ist, dass in Norwegen der Wechsel zu einer differenzierteren Sichtweise des Krieges erst nach dem Jahr 2000 erfolgte; viel später als beispielsweise in Dänemark.

In den letzten zehn Jahren gab es oft Kritik, dass die Geschichte des Krieges außerhalb der unmittelbaren Nachbarschaft der Hauptstadt vernachlässigt würde und dies wurde immer wiederholt. Die Kritik kam am stärksten aus dem Norden und dafür gibt es Gründe. Obwohl die Schlacht von Narvik 1940 und das Niederbrennen von Finnmark 1944 in den ersten Nachkriegsjahren viel Beachtung fand, wurde es in der Zeit von 1970 bis 2000 weniger. Besonders die Zwangsräumung hat sich für die Opfer und ihre Nachkommen zu einem regionalen Trauma entwickelt und taucht häufig in den lokalen Medien auf.

Da wir hier in diesem Museum sind, werde ich mit der Erinnerung an den sowjetischen Kriegseinsatz in Norwegen enden, da dies ein interessantes Thema ist. Um zu erinnern, kann es in drei Kategorien eingeteilt werden:

1. Die 100.000 sowjetischen Kriegsgefangenen in Lagern in Norwegen.

2. Die Widerstandsbewegung im Norden.

3. Die sowjetische Befreiung Nordost-Norwegens

Darüber hinaus führte der allgemeine sowjetische Kriegseinsatz unmittelbar nach dem Krieg zur Popularität in der Bevölkerung. Die norwegische kommunistische Partei machte 1945 mit 11 Sitzen und 11,9% der Stimmen ihre beste Wahl zum Parlament.

Die sowjetischen Kriegsgefangenen wurden im Sommer 1945 repatriiert. In den Jahren 1945-48 gab es Gedenkfeiern der norwegischen Regierung, aber auch der örtlichen Gemeinden, die an die sowjetischen Kriegsgefangenen und deren Schicksal erinnerten und sie ehrten.

Aber im selben Zeitraum verschlechterte sich die internationale Politik und der kalte Krieg wurde Realität. 1948 nahm die Arbeiderpartiet, die regierende sozialdemokratische Partei der Nachkriegszeit, Position gegen die Sowjetunion und Norwegen trat 1949 der NATO bei.

Das politische Klima in der Nachkriegszeit beeinflusste das nationale Gedenken an die sowjetische Befreiung der östlichen Finnmark, die Leistungen und Opfer des Widerstandes im Norden. Außerhalb der Region haben diese Ereignisse wenig Beachtung gefunden und sind in der Bevölkerung praktisch unbekannt. Zusätzlich spielt ein Zentrum – Peripherie Effekt eine Rolle: Von der norwegisch-russischen Grenze bis zur Hauptstadt Oslo ist es ein langer Weg! (Knapp 2000 Straßenkilometer.)

Die Zwangsarbeiterlager, waren im ganzen Land verteilt. Die Gefangenen bauten meist Infrastruktur auf, die für militärische Zwecke lebenswichtig war. Wegen der hohen Zahl von Toten gab es überall Gräber, wo Lager waren. Angesichts der zunehmenden internationalen Spannungen ist es nicht verwunderlich, dass die Sowjetunion die Gräber als Vorwand für Spionage gegen norwegische Militäranlagen nutzten.

Dies führte zu dem, was später “Operation Asphalt” genannt wurde. Die norwegischen Behörden begannen alle Leichen sowjetischer Kriegsgefangenen in Nord-Norwegen zu exhumieren und auf einen Friedhof zu bringen, wo nichts weiteres Interessantes zu sehen war. Die Operation Asphalt war eine makabre Angelegenheit und ich werde nicht ins Detail gehen, aber regional gab es Proteste. Nach der Umbettung wurden auch einige Denkmäler zerstört, andere umgesetzt, und mit den Worten eines Historikers trug dies dazu bei, dass die Erinnerung an die sowjetischen Kriegsgefangenen verblasste, bis die Geschichte in den 1990er Jahren wiederentdeckt wurde.

Ich werde meinen Vortrag hier beenden; ich hoffe, Sie haben etwas mehr über den Krieg im Norden erfahren. Sie sind natürlich herzlich eingeladen, unser Museum in Narvik zu besuchen!

Übersetzung: Gaby Oelrichs

BLODVEGER – NS-Zwangsarbeit in Nord-Norwegen